Alte Synagoge (Hannover)

Rekonstruktionsmodell der Alten Synagoge

Die Alte Synagoge in Hannover befand sich in der heute nicht mehr existierenden Bergstraße im heutigen Stadtteil Calenberger Neustadt. Die Synagoge wurde 1827 von der jüdischen Gemeinde Hannover auf einem Hinterhof errichtet und 1943 bei einem britischen Luftangriff auf Hannover zerstört.

Beschreibung

Innenraum im Rekonstruktionsmodell

Eine detaillierte Beschreibung des Bauwerks ist in dem von Arnold Nöldeke verfassten Band Hannover der Schriftenreihe Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover von 1932 überliefert. Demnach war der Blick auf die Synagoge von der Straße her nicht möglich. Sie war vom wahrscheinlich 1704 erbauten Vorderhaus als dem Verwaltungsgebäude der Synagogengemeinde und rückwärtig durch einen mittelalterlicher Mauerrest der Burg Lauenrode verdeckt. Die Synagoge Celle hat eine ähnliche Bausituation. Die Nichteinsehbarkeit einer Synagoge war im 18. und 19. Jahrhundert typisch und geht auf die ablehnende Haltung der christlichen Bevölkerung gegenüber dem jüdischen Kultus und der Einrichtung einer Synagoge zurück.[1] Zwischen der Synagoge und dem Vorderhaus bestand ein etwa zwei Meter breiter Hof, auf dem acht dorische Säulen in einer Reihe standen. Der Grundriss der Synagoge war fast quadratisch. Die Mauern waren in Ziegel ausgeführt. Die Fassade war durch senkrechte Lisenen gegliedert. Sie wies rechteckige Fenster auf zwei Geschossen auf. Das Hauptgesims aus Holzverschalung kragte weit vor. Im Erdgeschoss befand sich der Männerraum mit Bankreihen. Das Obergeschoss war an drei Seiten als traditionell vergitterte Frauenempore ausgebildet. Nach oben schloss den Raum ein hölzernes Tonnengewölbe mit einem Oberlicht ab. Für weiteres Licht sorgte jeweils ein Lünettenfenster auf den Giebelseiten. Etwa in der Mitte des Gottesdienstraums stand die rechteckige Bima, in der aus der Tora gelesen wurde. Der Toraschrein aus Mahagoniholz war in die Ostwand eingelassen. Dort befand sich eine Predigtkanzel.

Die Synagoge war vom Baustil her klassizistisch. Sie war die größte Synagoge im Königreich Hannover. Der Architekt war Ludwig Hellner, der durch seine protestantischen Kirchenbauten bekannt wurde.[2] Nur wenige jüdische Symbole ließen die jüdische Funktion der Synagoge erkennen, die sich baulich kaum von den von Hellner entworfenen Kirchen unterschied.

Geschichte

Lage der Alten Synagoge mit Vorderhaus auf einem Stadtplan von August Wilhelm Papen um 1830

Der Standort der Synagoge lag in der historischen Calenberger Neustadt, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als erste Stadterweiterung Hannovers am linken Leineufer entstanden war und unter landesherrlicher Verwaltung stand. Juden durften sich dort als Schutzjuden gegen Sonderzahlungen niederlassen.[3] Das Wohnen in der hannoverschen Altstadt war ihnen bis 1810 verwehrt, weil ab 1588 ein Statut nur Lutheranern das Wohnrecht in der Altstadt gewährte. 1688 wurde den Juden in der Calenberger Neustadt eine Gebetsstätte in einem Privathaus erlaubt, bis sie 1703 eine Synagoge errichten durften.[4] Als das Gebäude nach 120 Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste, errichtete die jüdische Gemeinde 1827 an derselben Stelle eine neue Synagoge,[5] die später als „Alte Synagoge“ bezeichnet wurde.

1842 wurden die Juden im Königreich Hannover anderen Bürgern gesetzlich gleichgestellt. Mit dem Anwachsen der Großstadt Hannover um die Mitte des 19. Jahrhunderts stieg auch die Zahl der jüdischen Einwohner (1833:537, 1852:668, 1871: 1936) stark an. Die Synagoge von 1827 reichte nicht mehr aus und auf Betreiben des Landes- und Ortsrabbiners Samuel Meyer wurde 1870 in unmittelbarer Nähe in der Bergstraße die Neue Synagoge mit 1100 Plätzen errichtet,[6] woraufhin die Alte Synagoge im selben Jahr geschlossen wurde. 1932 wurde sie in das Denkmalverzeichnis der Stadt Hannover aufgenommen.

Nach der Zerstörung der Neuen Synagoge während der Novemberpogrome 1938 hielt die jüdische Gemeinde ihre Gottesdienste wieder in der Alten Synagoge ab. 1941 wurde ihr Betsaal im Rahmen der „Aktion Lauterbacher“ zu einem Massenquartier für etwa 100 jüdische Menschen. Nach der Vertreibung aus ihren Wohnungen wurden sie in das Gebäude eingewiesen, das wie 15 weitere Häuser in Hannover in ein „Judenhaus“ umfunktioniert wurde. Bis 1942 wurden die dort untergebrachten Männer, Frauen und Kinder in die Ghettos von Riga, Theresienstadt und Warschau deportiert. Von den insgesamt 147 in die Synagoge eingewiesenen Menschen überlebten nur sieben den Holocaust. Ab 1942 wurde das Synagogengebäude von der Hitlerjugend genutzt. Beim schwersten Luftangriff auf Hannover während des Zweiten Weltkriegs wurden die Synagoge im Hinterhaus und das jüdische Verwaltungsgebäude im Vorderhaus am 9. Oktober 1943 zerstört.

Früherer Standort der Alten Synagoge zwischen zwei Ministeriumsgebäuden etwa in Höhe der Schranke

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Bereich der Alten und der Neuen Synagoge 1953 ein Verwaltungsgebäude der Preussag errichtet, das seit 1989 Sitz des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ist. Der frühere Standort der Alten Synagoge befindet sich im Innenhof des Ministeriums im Bereich einer Zufahrt zwischen dem Hauptgebäude und einem Nebengebäude. Die Stelle ist nicht gekennzeichnet.

Präsentation

Die Bet Tfila-Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa an der TU Braunschweig erstellte im Jahr 2000 ein Rekonstruktionsmodell mit der ursprünglichen Gestalt der 1827 errichteten Synagoge. Die Rekonstruktion im Maßstab 1:50 nahmen Studierende im Rahmen ihres Architekturstudiums vor.[7]

2024 wurde im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur eine Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte des Ministeriumsgrundstücks eröffnet. Sie behandelt die Alte und die Neue Synagoge und die nationalsozialistische Judenverfolgung in dem Zusammenhang.[8]

Literatur

  • Arnold Nöldeke: Stadt Hannover. Die Kunstdenkmale der Stadt Hannover. Teil 1, Denkmäler des „alten“ Stadtgebietes Hannover, Die Kunstdenkmäler der Provinz Hannover. Bd. 1, H. 2, Teil 1, Hannover, Selbstverlag der Provinzialverwaltung, Schulzes Buchhandlung, 1932, S. 202–206 (Online)
  • Ulrich Stille: Synagogen in Hannover in: Landeshauptstadt Hannover, Jüdische Gemeinde Hannover e.v. (Hrsg.): Leben und Schicksal. Zur Einweihung der Synagoge in Hannover, Hannover, 1963, S. 187–190
  • Peter Schulze: Juden in Hannover. Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Minderheit, Hannover, 1989, S. 5,6
  • Ulrich Knufinike: Die Synagogen - der bauliche Rahmen. Synagoge - Wohnhaus - Denkmal? in Andor Izsák (Hrsg.): Dokumentation zur Ausstellung „Niemand wollte mich hören ...“ Magrepha. Die Orgel in der Synagoge. Forum des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover November 1999 bis April 2000, 1999, S. 34–36
  • Technische Universität Braunschweig, Bet Tfila-Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa (Hrsg.): Alte Syngoge Bergstraße 8, Hannover, Faltblatt zur Ausstellung im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, ca. 2024
Commons: Alte Synagoge – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sabine Glatter, Andrea Jensen, Katrin Keßler, Ulrich Knufinke: Die Bauwerke und Einrichtungen der jüdischen Gemeinde in Celle. Synagoge, Mikwe, Friedhof. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld / Celle 1997, ISBN 3-89534-219-X, S. 15–65, hier S. 22 (= Kleine Schriften zur Celler Stadtgeschichte, Band 2).
  2. Ein jüdischer Raum in Hannover – zur Architektur der Alten Synagoge beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege
  3. Gedenkort Neue Synagoge bei zukunft-heisst-erinnern.de
  4. M[eir] Wiener: Liepmann Cohen und seine Söhne, Kammeragenten zu Hannover. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judenthums, hrsg. von Oberrabbiner Z[acharias] Frankel, Jahrgang 13, Heft 5, Breslau 1864, S. 171.
  5. Klaus-Dieter Alicke: Hannover im Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum
  6. Der Bau der Neuen Synagoge 1864-1870 bei Jüdische Gemeinde Hannover
  7. Technische Universität Braunschweig, Bet Tfila-Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa (Hrsg.): Alte Syngoge Bergstraße 8, Hannover, Faltblatt zur Ausstellung im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, ca. 2024
  8. Zerstört, verdrängt, erinnert – Die vergessene Judenverfolgung bei Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur vom 11. Dezember 2024

Koordinaten: 52° 22′ 21,5″ N, 9° 43′ 41,7″ O