Brillenkauz

Brillenkauz

Brillenkauz (Pulsatrix perspicillata)

Systematik
Klasse: Vögel (Aves)
Ordnung: Eulen (Strigiformes)
Familie: Eigentliche Eulen (Strigidae)
Gattung: Brillenkäuze (Pulsatrix)
Art: Brillenkauz
Wissenschaftlicher Name
Pulsatrix perspicillata
(Latham, 1790)

Der Brillenkauz (Pulsatrix perspicillata) ist eine große, kontrastreich gefärbte Eulenart aus der Familie der Eigentlichen Eulen (Strigidae). Das Verbreitungsgebiet des Brillenkauzes reicht von Südmexiko über Mittelamerika und große Teile des nördlichen Südamerikas bis in den Norden Argentiniens. Die Tiere bewohnen den geschlossenen Wald der Tropen und Subtropen, kommen aber auch in Plantagen und Baumhainen vor. Die Nahrung besteht in erster Linie aus kleineren Säugern bis zur Größe von Opossums sowie aus Vögeln bis zur Größe von Tauben und kleineren Eulen.

Die Bestandssituation des Brillenkauzes wird vom IUCN aufgrund des großen Verbreitungsgebietes und des offenbar stabilen Bestandes als „Least Concern (LC)“ = „nicht gefährdet“ eingestuft.

Beschreibung

Brillenkäuze sind große, breitflügelige Eulen mit kräftigen, fast bis zu den Krallen befiederten Beinen und Zehen und großen Krallen. Die Körperlänge beträgt 43–52 cm, das Gewicht 571–982 g. Sie sind damit deutlich größer und annähernd doppelt so schwer wie ein Waldkauz. Wie bei allen Arten der Gattung Pulsatrix unterscheiden sich die Geschlechter bezüglich der Färbung nicht, die Art zeigt jedoch einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus bezüglich Körpergröße und Gewicht. So haben Weibchen der Nominatform eine Flügellänge von 318–350 mm, Männchen erreichen nur 305–335 mm. Weibchen der Unterart P. p. saturata wiegen 765–982 g, Männchen nur 591–761 g.

Die Färbung ist sehr kontrastreich. Bei adulten Vögeln der Nominatform sind die Oberseite des Rumpfes sowie die Oberflügeldecken einfarbig dunkelbraun, die Schwingen und der Schwanz sind auf diesem Grund blass graubraun gebändert. Über die Brust zieht sich ein breites, dunkelbraunes Querband, die übrige Unterseite des Rumpfes ist einfarbig blassgelb bis gelblich rotbraun. Die Tarsometatarsen und Zehen sind mehr weißlich rotbraun befiedert.

Augenbrauen, Nasenflügel und Wangenstreifen, die Unterkante des Gesichtsschleiers sowie die Kehle sind reinweiß, dass übrige Gesicht ist dunkelbraun. Der übrige Kopf und der Hals sind einfarbig schwärzlich braun und deutlich dunkler als die übrige Oberseite. Schnabel und Wachshaut sind gelblich hornfarben, die Schnabelspitze zeigt einen grünlichen Ton. Die unbefiederten Teile der Zehen sind weißlich oder blassgrau, die Krallen sind schwärzlich. Die Iris ist leuchtend gelb-orange.

Ausgeflogene Jungvögel unterscheiden sich erheblich von adulten Tieren. Der Gesichtsschleier ist mehr oder weniger herzförmig und einfarbig schwärzlich. Der übrige Kopf und der gesamte Rumpf sind einfarbig weiß. Die Oberflügeldecken sind auf weißem Grund graubraun gebändert, Schwingen und Schwanz sind auf braunem Grund hell gebändert. Das Adultkleid ist erst nach bis zu fünf Jahren ausgebildet.

Immaturer Brillenkauz mit Resten des weißen Jugendkleidgefieders am Kopf
Skelett eines Brillenkauzes im Museum of Osteology, Oklahoma City

Lautäußerungen

Der Balz- und Revierruf beider Partner ist eine Folge anfangs aufsteigender und zum Ende hin leiserer und tieferer kehliger Klopflaute, etwa wie „pok-pok-bogbogbogbobobo“. Überwiegend von Weibchen ist außerdem ein zweisilbiger, kreischender Ruf ähnlich einer Dampfpfeife bekannt.

Verbreitung und Lebensraum

Das Verbreitungsgebiet des Brillenkauzes reicht von Südmexiko über Mittelamerika und große Teile des nördlichen Südamerikas unter Aussparung der Anden bis in den Norden Argentiniens. Das Gesamtverbreitungsgebiet umfasst etwa 12,7 Mio. km².[1] Brillenkäuze bewohnen den geschlossenen Wald der Tropen und Subtropen mit großen und alten Bäumen, aber auch Plantagen und Baumhaine. Die Art kommt von Meereshöhe bis 1500 m Höhe vor.

Brillenkauz der Unterart Pulsatrix p. saturata in Costa Rica.

Systematik

Verbreitungsgebiet des Brillenkauzes (grün)

Die Anzahl der Unterarten des Brillenkauzes werden ebenso wie die Artabgrenzung innerhalb der Gattung Pulsatrix bis heute kontrovers diskutiert. Weitgehend unstrittig sind vier Unterarten:[2]

  • Pulsatrix perspicillata perspicillata (Latham, 1790)[3] – größter Teil des Verbreitungsgebietes.
  • Pulsatrix p. saturata Ridgway, 1914[4] – Norden des Verbreitungsgebietes vom Süden Mexikos bis in den Norden von Costa Rica und in den Westen von Panama. Die dunklen Partien des Kopfes sowie der Rücken sind gleich dunkel schieferschwarz, die Bauchseiten und manchmal auch die Brust sind fein dunkel gebändert.
  • Pulsatrix p. chapmani Griscom, 1932[5] – vom Osten Costa Ricas bis in den Nordwesten von Ecuador.
  • Pulsatrix p. boliviana L. Kelso, 1933[6] – von Bolivien bis in den Norden Argentiniens.

Eine weitere Unterart Pulsatrix p. trinitatis Bangs & Penard, 1918[7], wird von mehreren Institutionen anerkannt, von König und Weick[2] jedoch mit der Nominatform vereint. Eine von König und Weick[2] vorgenommene Abtrennung der Unterart Pulsatrix perspicillata pulsatrix (Wied, 1820)[8] als eigene Art Pulsatrix pulsatrix wird bisher nicht allgemein akzeptiert.[9][10]

Ernährung

Die Nahrung besteht in erster Linie aus kleinen Säugetieren, gelegentlich werden auch größere Säuger bis hin zur Größe von Opossums und Vögel bis zur Größe von Tauben und kleineren Eulen erbeutet. Zusätzlich werden auch Raupen und andere große Insekten verzehrt, mitunter auch Krabben und große Webspinnen. Die Jagd erfolgt wohl fast ausschließlich nachts. Die Vögel wechseln dabei von Ansitzwarte zu Ansitzwarte und beobachten den Boden, die Beute wird dann angeflogen und auf dem Boden gegriffen.

Fortpflanzung

Die Brutbiologie im Freiland ist kaum untersucht. Zur Brut werden große Höhlen in Baumstämmen oder starken Seitenästen benutzt. Das Gelege umfasst im Normalfall zwei Eier, das nur vom Weibchen etwa 35 Tage lang bebrütet wird. Auch die Fütterung der Nestlinge erfolgt weitgehend durch das Weibchen, welches in dieser Zeit vom Männchen mit Beute versorgt wird. Die Jungvögel verlassen im Alter von ungefähr fünf oder sechs Wochen die Höhle, sie sind dann wie viele junge Eulen noch kaum flugfähig. Sie bleiben mehrere Monate von den Eltern abhängig, manchmal fast ein Jahr lang.

Bestand und Gefährdung

Gesicherte Angaben zur Größe des Weltbestandes gibt es nicht, BirdLife International gibt als sehr grobe Schätzung 0,5 bis 5,0 Mio. Individuen an.[1] Die Bestandssituation des Brillenkauzes wurde 2018 in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN aufgrund des großen Verbreitungsgebietes und des offenbar stabilen Bestandes als „Least Concern (LC)“ = „nicht gefährdet“ eingestuft.

Etymologie und Forschungsgeschichte

Die Erstbeschreibung des Brillenkauzes erfolgte 1790 durch John Latham unter dem wissenschaftlichen Namen Strix perspicillata. Als Verbreitungsgebiet gab er Cayenne an.[3] Bereits 1848 führte Johann Jakob Kaup die Gattung Pulsatrix ein. Kaupp nannte hier u. a. die Brillenkauz-Unterart Pulsatrix perspicillata pulsatrix (Wied, 1820).[11] Der Begriff leitet sich lateinisch pulsatrix, pulsatricis, pulsator, pulsatoris, pulsare, pellere ‚Angreiferin, Angreifer, Schläger, schlagen, zuschlagen‘ ab.[12] Der Artname »perspicillata« hat seinen Ursprung in lateinisch perspicillatus, perspicillum, perspicere ‚Brille, Linse, Brille, durchsehen‘.[13] Saturata stammt von lateinisch saturatus, satur, satura, satis ‚reichhaltig gefärbt, dunkler gefärbt. reichhaltig, reichlich, genug‘[14] ab und trinitatis von lateinisch Trinitas, trini, tres ‚die heiligen Drei, drei zusammen, drei‘.[15] Chapmani ist Frank Michler Chapman gewidmet.[5] Boliviana bezieht sich auf Bolivien.[6] Alfred Laubmann hatte für sein Werk Die Vögel von Paraguay nur einen Kopf eines Balgs, gesammelt im Bergland des Río Apa bei San Luis de la Sierra, zur Verfügung. In der Literatur betrachtete er nur Aves nocturnas de rapiña del ñacurutú mocho von Félix de Azara[16] als möglichen Nachweis für das Land. Laubmann war sich nicht sicher, ob in Paraguay P. p. perspicillata oder P. p. boliviana vorkommt. So verwies er darauf, dass Leon Hugh Kelso und seine Frau Estelle Henderson Kelso im Jahr 1935 das Verbreitungsgebiet von P. p. boliviana auf die Provinz Tucumán und das angrenzende Paraguay[17] ausgewitet hatten, ohne genau zu erläutern, wie sie zu diesem Schluss kamen. Ebenso betrachtete er Pulsatrix pulsatrix, aber als eigenständige Art am Río Confuso durch Arnaldo de Winkelried Bertoni[18] im Land nachgewiesen.[19]

Literatur

  • Félix de Azara: Apuntamientos para la historia natural de los páxaros del Paragüay y Rio de la Plata. Band 1. Impr. de la viuda de Ibarra, Madrid 1802, S. 199–202 (google.de).
  • Outram Bangs, Thomas Edward Penard: Notes on a collection of Surinam birds. In: Bulletin of the Museum of Comparative Zoology at Harvard College. Band 62, Nr. 2, 1918, S. 25–93 (biodiversitylibrary.org).
  • Arnaldo de Winkelried Bertoni: Sobre ornitología del Chaco Paraguayo. Aves colectadas por Félix Posner en la Colonia „Monte Sociedad“, hoy Benjamin Aceval (Villa Hayes). In: Revista de la Sociedad Científica del Paraguay. Band 2, Nr. 6, 1930, S. 241–258.
  • Ludlow Griscom: The ornithology of the Caribbean coast of extreme eastern Panama. In: Bulletin of the Museum of Comparative Zoology at Harvard College. Band 72, Nr. 9, 1932, S. 303–372 (biodiversitylibrary.org).
  • Johann Jakob Kaup: Uebersicht der Eulen (Strigidæ). In: Isis von Oken. Band 40, Nr. 5, 1848, S. 753–774 (biodiversitylibrary.org).
  • Leon Hugh Kelso: A new Spectacled Owl from Bolivia. In: Biological Leaflet. Nr. 2, 21. Dezember 1933, S. 1.
  • Leon Hugh Kelso, Estelle Henderson Kelso: A new Rhinoptynx from Argentina. In: The Auk. Band 52, Nr. 4, Oktober 1935, S. 450–452 (englisch, usf.edu).
  • Claus König, Friedhelm Weick: Owls of the World. Christopher Helm, London 2008, ISBN 978-0-7136-6548-2, S. 158–159 und 350–351.
  • John Latham: Index ornithologicus, sive systema ornithologiæ; complectens avium divisionem in classes, ordines, genera, species, ipsarumque varietates: adjectis synonymis, locis, descriptionibus, &c. Band 1. Prostant Venales Apud Leigh et Sotheby, London 1790, S. 58 (biodiversitylibrary.org).
  • Alfred Laubmann: Die Vögel von Paraguay. Band 1. Strecker und Schröder, Stuttgart 1939, S. 224–226 (google.de).
  • Robert Ridgway: The Birds of North and Middle America: A descriptive catalogue of the higher Groups, genera, species, and subspecies of birds known to occur in Northern America, from the Arctic lands to the Isthmus of Panama the West Indies and other Islands of the Carribbean Sea, and the Galapagos Archipelago. In: Bulletin of the United States National Museum. Band 50, Nr. 6, 1914, S. I–XX, 1–882. Tafeln I–XXXVI (englisch, biodiversitylibrary.org).
  • Maximilian zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien in den Jahren 1815 bis 1817; mit zwei und zwanzig Kupfern, neunzehn Vignetten und drei Karten. Band 1. Heinrich Ludwig Brönner, Frankfurt 1820, S. 362 (biodiversitylibrary.org).
Commons: Brillenkauz (Pulsatrix perspicillata) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Factsheet auf BirdLife International.
  2. a b c Claus König, Friedhelm Weick: Owls of the World. Christopher Helm, London 2008, ISBN 978-0-7136-6548-2, S. 351.
  3. a b John Latham (1790), S. 58
  4. Robert Ridgway (1790),  758–759
  5. a b Ludlow Griscom (1932), S. 325
  6. a b Leon Hugh Kelso (1932), S. 1
  7. Outram Bangs u. a. (1918), S. 51
  8. Maximilian zu Wied-Neuwied (1820), S. 362
  9. IOC World Bird List Owls
  10. SACC 2008: Proposal (#326) to South American Classification Committee: Elevate the subspecies pulsatrix of the Spectacled Owl (Pulsatrix perspicillata) to species. (online, abgerufen am 5. August 2010).
  11. Johann Jakob Kaup (1848), S. 771–772
  12. Pulsatrix The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  13. perspicillata The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  14. saturata The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  15. trinitatis The Key to Scientific Names Edited by James A. Jobling
  16. Félix de Azara (1802), S. 199–202.
  17. Leon Hugh Kelso u. a. (1935), S. 451
  18. Arnaldo de Winkelried Bertoni (1930), S. 258.
  19. Alfred Laubmann (1939), S. 224–226