Einbäume von La Marmotta
Die Einbäume von La Marmotta, eines auf 5700 v. Chr. datierten, frühneolithischen Dorfes wurden in den 1990er Jahren im Lago di Bracciano (See) wenige hundert Meter vom Dorf Anguillara Sabazia im Latium in Italien entdeckt.
Das Dorf
Erhalten blieben dank anoxischer Sedimente 3400 mehr als zwei Meter tief in den Untergrund gerammte, dicke Eichenpfähle, die eventuell zu 14 rechteckigen 8–10 m langen und 6,0 m breiten Unterkünften mit zentralen Feuerstellen gehören. Die Dendrochronologie datiert die Siedlung genau, da lokale Baumringsequenzen gründlich erforscht sind. Die älteste Fundstelle in La Marmotta stammt von 5690 v. Chr. Sicher ist auch das Ende des Dorfes, etwa ein Jahrzehnt nach 5230 v. Chr.


Seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. stieg der Wasserspiegel des Lago di Bracciano um mehr als 8,0 m, sodass die Reste des einstigen Uferdorfes heute im See 370 m vom damaligen Ufer liegen.
In der Region um den See gibt es vor Errichtung der Siedlung keine Anhaltspunkte für Jäger und Sammler. Der Beleg dafür, dass die Marmottaleute von weither kamen und sich vermutlich entlang des Arrone landeinwärts, zu seiner Quelle im Braccianosee bewegten, ist ihre fortgeschrittene Kultur. Den Gründern des Dorfes standen von Anfang an domestizierte Pflanzen und Tiere, Keramik und verschiedene Steinwerkzeuge (12.000 gefunden) aus Feuerstein und Obsidian zur Verfügung, der von den Inseln Lipari und Palmarola kam. Sie benutzten Holzgefäße, Körbe, Löffel und Spindeln, hielten Kühe, Schafe, Schweine und Ziegen und brachten zwei Hunderassen mit. Sie bauten Schlafmohn, eine Fülle an Feldfrüchten sowie Gerste, Weizen und Flachs an, um Leinen herzustellen. Sie aßen Gemüse, Getreide und Obst – Äpfel, Erdbeeren, Himbeeren, Pflaumen und sammelten Essbares in den Wäldern. Im Winter vervollständigten sie ihre Nahrung mit Eicheln.
Einbäume
Fünf auf 5700 bis 5100 v. Chr. datierte Einbäume, die im Lago di Bracciano gefunden wurden, untersuchten Forscher um Juan Francisco Gibaja Bao. Mit ihnen befuhren, wie er im Fachjournal PlOS One berichtete, das Mittelmeer. Die Existenz neolithischer Boote wird auch durch Modelle von Keramikbooten in den Hütten bestätigt, die wahrscheinlich mit religiösen Praktiken verbunden und die ältesten ihrer Art sind, die in Europa gefunden wurden.
Die Einbäume wurden drei Meter tief in den Sedimenten des Sees, elf Meter unter der Wasseroberfläche gefunden. Einer der Einbäume ist aus einer Eiche, mehr als zehn Meter lang am Heck 1,15 Meter und am Bug 0,85 Meter breit. Die Höhe variiert zwischen 65 und 44 cm. Ein anderer wurde aus einem Erlenstamm erstellt. Andere Einbäume bestehen aus Buchen- oder Pappelholz. Dass die Einbäume aus unterschiedlichen Hölzern bestehen, ist ungewöhnlich, da sie in derselben Siedlung gefunden wurden. Sie wurden komplex konstruiert, zum Beispiel mit Querschotts und offenbar mithilfe von Feuer ausgehöhlt.
An einer Seite des langen Einbaums entdeckten die Forscher T-förmige Objekte mit zwei bis vier Löchern, die eventuell zur Befestigung von Leinen, möglicherweise an einem Segel dienten, oder zur Verbindung anderer nautischer Elemente wie Auslegern oder eines weiteren Einbaums, um einen Katamaran zu bilden. Diese außergewöhnliche Entdeckung, stellt einen technologischen Fortschritt während der Jungsteinzeit dar.
Der Einbaum Marmotta 2, war 5,4 m lang, am Heck 0,4 m und am Bug 0,36 m breit. Er wurde aus einem Erlenstamm gefertigt. Es handelte sich eventuell um einen Fischerei- oder Transporteinbaum auf dem See oder dem Meer. Auf dem Einbaum wurde ein pilzförmiges Holzstück gefunden (13,4 cm lang und zwischen 9,1 und 8,3 cm breit). Es weist ein Loch mit einem Durchmesser von etwa 2,8 cm auf. Seine Ähnlichkeit mit heutigen Pollern lässt vermuten, dass es zum Festmachen des Einbaums diente. Die aus anderen Hölzern gefertigten Einbäume (3, 4 und 5) sind in schlechterem Zustand. Sie weisen unterschiedliche Abmessungen und Bruchspuren auf, was wahrscheinlich ihren Gebrauch verhinderte. In der Nähe der Einbäume drei Holzobjekte gefunden, die eventuell als Ruder oder Steuerruder verwendet wurden. Das in der Nähe von Marmotta 2 gefundene Objekt ist vom Schaft bis zum Blatt 105 cm lang.
Die Einbäume sind die ältesten im Mittelmeerraum. Die ältesten erhaltenen sind es dagegen nicht; der älteste erhaltene Einbaum von Pesse hat ein Alter von 8500 Jahren und wurde in einer Torfschicht in den Niederlanden gefunden.
Der See hat heute einen Durchmesser von 9,3 Kilometern, war in der Jungsteinzeit aber kleiner. Die Siedlung, die heute im See liegt, befand sich damals am Ufer. Für einen derart kleinen See ist ein Einbaum mit mehr als zehn Metern Länge eindeutig überdimensioniert. In La Marmotta wurden zudem importierte Gegenstände aus Steinen und Ton gefunden. Es sei deshalb möglich, dass die Einbäume auch auf dem Meer fuhren.
Der Lago di Bracciano ist über den 38 Kilometer langen Arrone mit dem Meer verbunden. Vom Einbaum 1 erstellten tschechische Archäologen eine Kopie und segelten damit 800 Kilometer entlang der Mittelmeerküste, um die Seetüchtigkeit zu testen.
Die Einbäume befinden sich im Museo delle Civiltà in Rom.
Siehe auch
Literatur
- Maria Antonietta Fugazzola Delpino: Un tuffo nel passato: 8000 ani fa nel lago di Bracciano, Museo Nazionale Preistorico Etnografico Luigi Pigorini, Roma 1996
- Maria Antonietta Fugazzola Delpino, Mario Mineo: La piroga neolitica del lago di Bracciano ("La Marmotta 1"), Bullettino di Paletnologia Italiana, Roma 1995, S. 197–266
Weblinks
Koordinaten: 42° 5′ 50,8″ N, 12° 16′ 31″ O