Giorgio Fanan

Giorgio Fanan (* 18. November 1929 in Arquà Polesine; † 20. Juli 2025 in Rovigo) war ein italienischer Musiksammler und Bibliograf.

Giorgio Fanan^[1] war einer der bedeutendsten italienischen Musiksammler des 20. Jahrhunderts.

Seine Karriere als Bibliophile begann er bereits als Kind im Jahr 1937, als er einige Notenblätter der Musikkapelle seines Heimatortes in Polesine sammelte. In über achtzig Jahren Tätigkeit hat er eine beeindruckende Musikbibliothek mit über 100.000 Exemplaren zusammengetragen und dabei Kontakte zu Musikern, Musikwissenschaftlern, Kunsthändlern und Antiquariaten auf der ganzen Welt gepflegt.

Von besonderer Bedeutung sind die Sammlung von Libretti für Musik,^[2] die handschriftlichen Briefe von Musikern, die alten gedruckten Musikabhandlungen, die Erstausgaben von Opernwerken, die Musikmanuskripte, verschiedene Musikrelikte, wertvolle Einbände und eine Philateliesammlung zum Thema Musik.

Über 30 Jahre lang war Fanan einer der Geschäftsführer der Familie Agnelli in Turin, wo er seine Leidenschaft mit Gianni Agnelli und Umberto Agnelli teilen konnte. Marella Agnelli schenkte ihm einen Steinway & Sons-Flügel.

Vor seiner Pensionierung im Jahr 1987 verlegte Fanan mit seiner Familie, seiner Frau Franca Bazzano und seinen Kindern Andreina und Vittorio, seinen Wohnsitz von Turin in die Villa Cornoldi Fanan in Fratta Polesine, wohin er auch seine gesamte Sammlung brachte. Ein Freund der Familie und Nachbar war Giancarlo Matteotti, der ihm einige Erinnerungsstücke seines Vaters Giacomo Matteotti schenkte.

Die Bedeutung der Bibliothek Fanan wurde auch vom niederländischen Dirigenten und Musiker Ton Koopman anerkannt. Darüber hinaus bezeichnete Giancarlo Rostirolla Fanan 1997 als „einen der berühmtesten Sammler antiker und moderner bibliografischer Musikmaterialien unserer Zeit“^[3].

Die Bibliothek Fanan ist im Répertoire International des Sources Musicales (RISM) verzeichnet, der internationalen Organisation, die sich mit der Erfassung von Musikquellen weltweit befasst.^[4]

Die Exemplare der Sammlung^[5] bieten einen Überblick über die klassische Musiktradition des Westens vom Mittelalter bis heute. So finden sich unter den Stücken beispielsweise Quellen der mittelalterlichen Musiktradition (ein Antiphonar aus dem 10. Jahrhundert), gedruckte Musikausgaben aus dem 16. Jahrhundert aus Venetien und Rom (Cipriano de Rore, Palestrina, Costanzo Porta, Morales), handschriftliche und gedruckte Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert (Merula, Caccini, Giacomo Carissimi, Frescobaldi, Bononcini, Arcangelo Corelli, Benedetto Marcello, Georg Friedrich Händel, Sammartini, Tartini, Viotti).

In der Bibliothek Fanan befindet sich außerdem die erste vollständige gedruckte Ausgabe (Breitkopf & Härtel) der Werke Mozarts. Dazu gehören auch Abhandlungen zur Musiktheorie (Leo, Paisiello, Martini), Autographen und Erstausgaben deutscher, französischer und italienischer Vokal- und Instrumentalwerke von Opernkomponisten (Lully, Campra, Spontini, Piccinni, Christoph Willibald Gluck, Sarti, Grétry, Asioli, Rossini, Bellini, Verdi, Boito, Wagner, Richard Strauss, Puccini, Leoncavallo, Mascagni), Kammermusik und Sinfonien (Porpora, Boccherini, Haydn, Pleyel, Beethoven, Mendelssohn, Brahms, Mahler, Strawinsky).

Darüber hinaus gibt es Exemplare mit eher literarischem Hintergrund (Dante, Pascoli, Verga) und Gelegenheitswerke (Christoph Kolumbus, Philipp I. von Bourbon, Ludwig II.).

Die Sammlung umfasst auch Materialien zur zeitgenössischen Musik (Schönberg, Berg, Castelnuovo-Tedesco, Ghedini) und zu Interpreten (Toscanini, Bruno Walter, Karajan, Bernstein).

Derzeit wird die Bibliothek Fanan im Rahmen der Doktorarbeit mit dem Titel „Musica perseguitata e Patrimoni musicali“ (Verfolgte Musik und musikalisches Erbe) am Konservatorium für Musik in Rovigo untersucht, katalogisiert und digitalisiert.^[6]

Giorgio Fanan hat drei Exlibris ausgewählt: eines mit der Darstellung des Heiligen Georg und des Drachen mit der Aufschrift Ex libris Giorgio Fanan, das zweite mit Versen aus Dantes Göttlicher Komödie aus Inf. I, 83-84 und das dritte mit dem Motto: Che incuria non disperda (Möge Nachlässigkeit nicht zerstreuen) und den Versen von Dante aus Par. XVII, 55-56.

• Folter, Siegrun H.: Private libraries of musicians and musicologists. A bibliography of catalogs, Buren, Frits Knuf, 1987
• Fanan, Giorgio (a cura di): Drammaturgia rossiniana. Bibliografia dei libretti d’opera, di oratori, cantate ecc. posti in musica da Gioachino Rossini, Roma, Istituto di Bibliografia Musicale, 1997, ISBN 9788815134110
• Ciancio, Laura: Libretti per musica manoscritti e a stampa del fondo Shapiro nella collezione Giorgio Fanan: catalogo e indici, Lucca, LIM, 1992, ISBN 88-7096-061-7
• Forment, Bruno, van der Linden, Huub: Resounding libraries. de bibliotheek van Ton Koopman, Gent, Orpheus Institute, 2020
• Sartori, Claudio: I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800. Catalogo analitico con 16 indici, Cuneo, Bertola & Locatelli, 1992.
• Balsamo, Luigi: La Bibliofilía, vol. 97, no. 3, 1995, pp. 305–305. JSTOR, http://www.jstor.org/stable/26213223. Accessed 4 Aug. 2025.
• Arnesano, Rosario: Rivista Italiana Di Musicologia, vol. 42, no. 2, 2007, pp. 343–50. JSTOR, http://www.jstor.org/stable/24326409. Accessed 4 Aug. 2025.
• Usula, Nicola: «Qual linea al centro». New sources and considerations on l’Incoronazione di Poppea, in: Il Saggiatore Musicale, vol. 26, no. 1, 2019, pp. 23–60. JSTOR, https://www.jstor.org/stable/27099471. Accessed 4 Aug. 2025.
• Carcereri, Luciano: Trent’anni di acquisizioni alla Biblioteca Nazionale Centrale di Roma, in: Lares, vol. 59, no. 2, 1993, pp. 309–20. JSTOR, http://www.jstor.org/stable/44629137. Accessed 4 Aug. 2025.

• Bibliothek der Hochschule für Musik in Rovigo

1. ↑ RISM Online. Abgerufen am 25. August 2025. 
2. ↑ Laura Ciancio, Libretti per musica manoscritti e a stampa del fondo Shapiro nella collezione Giorgio Fanan. Catalogo e indici, Lucca, LIM, 1992
3. ↑ Giorgio Fanan, Drammaturgia rossiniana. Bibliografia dei libretti d’opera, di oratori, cantate ecc. posti in musica da Gioachino Rossini, Roma, Istituto di Bibliografia Musicale, 1997, p. 9.
4. ↑ Die internationale Abkürzung für Fanan lautet I-FPfanan, siehe: Liste der RISM-Bibliothekssigel.
5. ↑ Gegen Ende des 20. Jahrhunderts erstellte Fanan selbst einen maschinengeschriebenen bibliografischen Katalog seiner Musiksammlung.
6. ↑ Presentazione del Corso, aufgerufen am 25. August 2025.