Krisztián Ungváry

Krisztián Ungváry (2014)

Krisztián Ungváry [ˈkristiaːn ˈuŋɡvaːri] (* 30. Oktober 1969 in Budapest) ist ein ungarischer Historiker und Zeitgeschichtler.

Leben und Werk

Krisztián Ungváry ist der Sohn des Schriftstellers, Publizisten und Dissidenten Rudolf Ungváry und dessen Ehefrau Éva Monspart und wuchs gemeinsam mit seinen beiden Schwestern in Budapest auf. Schon während seiner Schul- und Studienzeit gewann er mehrere Auszeichnungen für seine geschichtswissenschaftlichen Leistungen. 1993 verbrachte er das Wintersemester dank eines DAAD-Stipendiums in Freiburg im Breisgau, wo er das Freiburger Militärarchiv kennenlernte.

Sein 1998 erschienenes Werk Budapest ostroma (dt. Die Schlacht um Budapest) war in Ungarn ein Bestseller. Die Übersetzungen ins Englische und Deutsche wurden sehr positiv aufgenommen. Mittlerweile ist das Buch auch in China, Rumänien und Russland erschienen. In Deutschland wurde er 1999 als Kritiker der Wehrmachtsausstellung bekannt, über deren Ausrichtung er sich in mehreren Publikationen kritisch äußerte.[1] Wolfgang Struck ordnet Ungvárys Aussagen einer Tendenz in der Kritik an der Ausstellung zu, „die gezeigten Greuel nicht zu leugnen, aber mit einem achselzuckenden ‚so ist das eben im Krieg‘ beiseite zu legen“.[2] 2019 wirkte Ungváry als historischer Berater an dem ungarischen Kriegsfilm Das Licht in den Birkenwäldern von Dénes Nagy mit, der diese Sichtweise bekräftigt.

Ungvárys Primärinteresse gilt der Politik- und Militärgeschichte des 20. Jahrhunderts. Dabei interessiert ihn vor allen Dingen das Verhältnis der Menschen zu ihrer eigenen Geschichte. Daher rührt auch sein Interesse an der Geschichte der Uniformen sowie der Phaleristik (Ordenskunde). Er ist selbst Sammler von Militaria und Mitglied in diesbezüglichen Vereinen.

2023 erhielt er eine Forschungsprofessur am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Miskolc.

Sonstiges

Ungváry ist Winzer und anerkannter Verkoster. Er besitzt ein zwei Hektar großes Weingut im Tokajer Weingebiet in Olaszliszka. 1998 gewann er eine regionale Auszeichnung.

Zitat

„Europa hat eine doppelte Vergangenheit: Der Westen hat nur einen Teil der Totalitarismen des 20. Jahrhunderts erlebt. Leider haben westliche Intellektuelle mehr Deutungshoheit über die Geschichte und zeigen manchmal zu wenig Sensibilität für die Opfer des Kommunismus. Ein Demokrat müsste aber die gleiche Distanz zu allen Diktaturen behalten. Die Versuche, eine europäische Erinnerung zu schaffen, ohne die Interessen der Osteuropäer zu berücksichtigen, empfinde ich als geistige Kolonisation.“

Krisztián Ungváry: Kommentar anlässlich des 50jährigen Bestehens der Römischen Verträge[3]

Auszeichnungen

Publikationen (Auswahl)

  • Budapest ostroma, Budapest 1998 (7. Auflage 2013).
    • Die Schlacht um Budapest. Aus dem Ungarischen von Thomas Zöbelin, Zoltán Imre. Herbig, München 1999, ISBN 3-776-62120-6.
  • A magyar honvédség a második világháborúban. Budapest 2004 („Die ungarischen Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg“).
  • mit Gábor Tabajdi: Elhallgatott múlt. A pártállam és a belügy. A politikai rendőrség működése Magyarországon, 1956–1990. Budapest 2008 („Das Wirken der politischen Polizei in Ungarn 1956–1990“).
  • Horthy Miklós. A kormányzó és felelőssége. 1920–1944. Budapest 2020 („Die Regentschaft von Miklós Horthy“).

Einzelnachweise

  1. Krisztián Ungváry: Reemtsmas Legenden. Nicht nur Bilder können lügen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. November 1999;
    ders.: Verbrechen und Haftung. Die Pause der Wehrmachtsausstellung hilft nicht nur, die Bilder zu überprüfen: Auch der Begriff der Verantwortlichkeit ist zu klären. In: Süddeutsche Zeitung, 16. November 1999;
    ders.: Mit zweierlei Maß. Die Kommission zur Überprüfung der Hamburger Wehrmachtsausstellung arbeitete parteiisch und ungenau. In: Berliner Zeitung, 23. November 2000.
  2. Wolfgang Struck: Germanias Speicher. Populärkultur und kollektives Gedächtnis. In: Daniel Fulda, Silvia Serena Tschopp (Hrsg.): Literatur und Geschichte. ein Kompendium zu ihrem Verhältnis von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017023-X, S. 195–220 (hier: S. 210, Anm. 21).
  3. 50 Jahre Römische Verträge: „Die EU ist ganz okay“, Artikel vom 23. März 2007 auf Spiegel Online
  4. Mitteilung auf facebook.com, abgerufen am 16. Dezember 2022.