Mehringhof

Der Mehringhof (erster Hof), 2008

Der Mehringhof ist ein alternatives Kulturzentrum im Berliner Ortsteil Kreuzberg.

Geschichte

Ende der 1970er Jahre entstand die Idee, ein alternatives Zentrum aufzubauen. Die Schule für Erwachsenenbildung (SfE) brauchte dringend größere Räume. Menschen aus ähnlich strukturierten Projekten taten sich mit den Schülern und Lehrern zusammen und kauften 1979 für knapp zwei Millionen Mark das Fabrikgrundstück der Schriftgießerei Berthold auf dem Hinterhof der Gneisenaustraße 2a. Das Projekt wurde als GmbH organisiert.

Zur Gründungsgeschichte

Ein interner Konflikt während einer Versammlung der Organisation Netzwerk Selbsthilfe um die Gründung eines eigenen Sanierungsträgers zur Legalisierung besetzter Häuser in Berlin im Frühjahr 1982, der protokolliert wurde, gibt neben Informationen zu Netzwerk selbst auch Hinweise zur Gründung des Mehringhofes.

Innenansicht des Mehringhofs mit Fahrradladen und Theater

Als zwei Diskutanten im „Streitgespräch“, das seinerzeit auch in der taz veröffentlicht wurde, werden genannt: Gerd Behrens war „einer der Mitarbeiter der Mehringhof-Steuerberatungsgesellschaft, die unentgeltlich Projekte steuerlich berät. Mitbegründer der Taz und des Mehringhofes.“ Klaus Werner war „Initiator des Mehringhof-Gedankens.“

In Bezug auf das Frühjahr 1982: „Der Mehringhof wurde von verschiedensten Initiativen und Gruppen […] vor etwa 2 Jahren gekauft.“[1]

Eingang zum Mehringhof Gneisenaustraße 2a, 2008

Obwohl der Mehringhof nicht besetzt worden war, sahen sich viele der dortigen Projekte in den 1980er Jahren als Teil der Hausbesetzerbewegung in Berlin und der Komplex bot vielfältigen Aktivitäten Raum. Auch der Berliner Ermittlungsausschuss zur Feststellung von Polizeiübergriffen hat dort sein Büro. Nach dem Tod des Hausbesetzers Klaus-Jürgen Rattay am 22. September 1981 durchsuchte die Polizei am 8. Oktober 1981 das Büro erfolglos nach Beweismaterial.[2]

Projekte im Mehringhof

Langjährige Mieter waren bzw. sind[3]

Die Projekte im Mehringhof haben für derzeit knapp 120 Menschen feste Arbeitsplätze geschaffen.

Das Antifaschistische Infoblatt[60] sowie die Autonome Zeitschrift Interim[61] haben dort ihre Postadresse.

Seit 2003 finden jeweils im Mai oder Juni, jährlich an einem Wochenende von Freitag bis Sonntag, im Mehringhof, die Linken Buchtage Berlin statt.[62][63][64][65]

Entsprechend der Grundsätze zur Vermietung der öffentlichen Räume[66] des Mehringhofs (Versammlungsraum, Blauer Salon) stehen diese zur (kostenfreien) Nutzung zur Verfügung.

Ehemalige Projekte

Repression

Im Juni 1986 kam es im Anschluss einer Solidaritätsdemonstration bezüglich der später als „Hamburger Kessel“ in die Geschichte eingegangenen rechtswidrigen Einkesselung von über 800 Demonstranten zur Erstürmung des Mehringhofs durch die Polizei.

Ende April 1987 führte die Durchsuchung des im Mehringhof ansässigen Volkszählungsboykott-Büros sowie illegalerweise weiterer Büros und die Beschlagnahme der für die 1.-Mai-Gewerkschaftsdemonstration vorgesehenen Flugblätter zu Auseinandersetzungen am Rande des traditionellen 1.-Mai-Festes.[81][82][83]

Im Jahr 1999 wurde der Mehringhof von fast 1000 Beamten von Kriminalpolizei über BKA bis zur GSG 9 einer Razzia unterzogen. Dort vermuteter Sprengstoff der Revolutionären Zellen wurde nicht gefunden.[84][85]

Finanzierung und Organisation

Das Kulturzentrum erhält keine staatliche Förderung. Alle wichtigen Entscheidungen des Mehringhofs werden im monatlichen Plenum diskutiert und entschieden.

Literatur

  • Elisabeth Bolda, Rainer Nitsche, Jochen Staadt (Hrsg.): Der Mehringhof. Ein unmöglicher Betrieb. Transit Buchverlag, Berlin, 1988, ISBN 3-88747-047-8.
  • Burghard Keeve: „Das grosse Schiff wird unter Dampf gehalten“ – Der Mehringhof, das alternative Vorzeigeprojekt in Kreuzberg, wird zwanzig Jahre alt / Von Aufbruchstimmung ist nichts mehr zu spüren / Eine Stiftung soll die wertvolle Immobilie sichern. In: Der Tagesspiegel, 16. August 1999 online, PDF
  • Jens Pepper, Andreas Wahl (Hrsg.): 15 Jahre Mehringhof-Theater: eine Bestandsaufnahme, Mehringhof-Theater Berlin 2000, ISBN 978-3-00-005747-2

Filme

  • Arbeit im Mehringhof oder Wege ins Paradies. Dokumentarfilm; Deutschland; 1985; Regie: Barbara Kasper, Lothar Schuster.[86]

Weitere Alternativ-Projekte der 1970er/1980er Jahre in Berlin

Commons: Mehringhof – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stattbuch informiert, 1986, Streitgespräch, S. 37.
  2. Hrsg.: Ermittlungsausschuss. Eine Dokumentation: abgeräumt? 8 Häuser geräumt … Klaus-Jürgen Rattay tot, Berlin, November 1981.
  3. Projekte im Mehringhof | MehringHof. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  4. Nina Apin: 31 Jahre Mehringhof: Rucolapesto fürs Kollektiv. In: Die Tageszeitung. 25. Juni 2010, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 14. Mai 2025]).
  5. Mehringhof e. V.: MehringHof. 6. August 2024, archiviert vom Original am 17. September 2024; abgerufen am 14. Mai 2025.
  6. Almanya Türkiyeli Isciler Federasyonu – ATIF
  7. ambulante dienste e. V. – einfach leben. In: adberlin, ambulante dienste berlin, einfach leben. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  8. Ambulanter Pflegedienst für behinderte Menschen in Berlin. In: Futura Berlin - begleiten, betreuen, beraten. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  9. Ambulante Dienste e. V. (ad)
  10. Anwaltsbüro Mehringhof
  11. Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe e. V. – AOB
  12. Bibliocopy
  13. BLUE 21 e. V. Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung
  14. Borderline Europe
  15. Bürogemeinschaft Rahmvogelfalter
  16. Linke Buchtage Berlin
  17. Schwarze Risse – Buchhandlung
  18. Assoziation A
  19. Ermittlungsausschuss Berlin. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  20. EA – Ermittlungsausschuss im Mehringhof
  21. Fahrradladen Mehringhof – Die Fahrrad-Spezialisten in Berlin-Kreuzberg. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  22. Fahrradladen Mehringhof (FLM) Schütze und Stage GbR
  23. Forschungsgesellschaft Flucht und Migration
  24. Forschungsgesellschaft Flucht und Migration e. V. – FFM
  25. FDCL Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika
  26. Solidarische Zweckgemeinschaft. In: Lateinamerika Nachrichten. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  27. Fountainhead® Tanz Theatre
  28. Die Gesundheitsladen Basis. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  29. [1]
  30. [2]
  31. [3]
  32. [4]
  33. [5]
  34. [6]
  35. [7]
  36. Karate und Jiu Jitsu Verein in Kreuzberg
  37. fabian sänger: Zapfen statt zanken. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  38. Berlin: „Ex“: Linkes Experiment gescheitert. In: Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 14. Mai 2025]).
  39. RICHARD ROTHER: „Abschied von der Szene“. In: Die Tageszeitung. 6. März 2001, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 14. Mai 2025]).
  40. Lutz Erkenstädt: Die gute alte versiffte Punkparty. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  41. Instagram. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  42. Clash
  43. Büro für medizinische Flüchtlingshilfe
  44. Mehringhof – Theater – Home. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  45. Mehr als eine Spielstätte – 40 Jahre Mehringhoftheater, 54:32 min, von Regina Kusch Deutschlandfunk Querköpfe, 26. März 2025
  46. Mehringhof-Theater
  47. Musikgruppen
  48. Pille Palle & Die Ötter Pötter – Rockinberlin. Archiviert vom Original am 29. November 2023; abgerufen am 14. Mai 2025.
  49. Netzwerk Selbsthilfe
  50. REPORTETAGE – Journalistenbüro
  51. Rechtsanwaltskanzlei Thomas Krautzig
  52. [8]
  53. Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. (RAV)
  54. Seitenwechsel e. V.
  55. Seitenwechsel – Sportverein für FrauenLesbenTrans*Inter* und Mädchen e. V.
  56. Tauwetter e. V. – Die Anlaufstelle Tauwetter. Abgerufen am 14. Mai 2025 (deutsch).
  57. Tauwetter
  58. Verbrecher Verlag
  59. Werkstatt Ethnologie Berlin – WEB
  60. Antifaschistisches Infoblatt – AIB
  61. Uwe Rada: Schokoküsse für Dorfpostille. In: Die Tageszeitung. 21. Juni 1997, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 14. Mai 2025]).
  62. Info | Linke Buchtage Berlin. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  63. Berlin: Wieder Linke Buchtage im Mai – BuchMarkt. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  64. Das Herz schlägt links: dieses Wochenende im Mehringhof. 13. Juni 2003, abgerufen am 14. Mai 2025.
  65. Linke Buchtage Berlin 2024 – Radio CORAX. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  66. Räume & Vermietung | MehringHof. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  67. Flugblatt der Antifa Jugendfront Mai 1989
  68. Gut zu wissen Antifa-Ausstellung taz vom 10. Dezember 1993
  69. Staatsschutz gegen „Edelweißpiraten“, taz 27. Dezember 1994
  70. Missbrauch in der Antifa „Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“, von Claudia Burghard taz, 15. Dezember 2024
  71. Bericht: Missbrauch von Jungen in Berliner Antifa-Gruppe von Carola Tunk, Berliner Zeitung 15. Dezember 2024
  72. Aro »Pipo« K.: Ein linker »Kinderfreund« in der Antifa, von Fabian Kreuzberg, nd 10. Februar 2025
  73. wer ist aro kuhrt?
  74. Anwälte im Mehringhof Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten (Memento vom 28. November 2022 im Internet Archive)
  75. Anwaltsbüro Mehringhof Lindemann, Herzog, Furtwängler, Krautzig, Poggemann, Schrage und Weidmann (Memento vom 7. Juni 2023 im Internet Archive)
  76. [9]
  77. [10]
  78. Geschichte der Solarwirtschaft: Vor 33 Jahren gründeten Kreuzberger Atomkraftgegner das „Ingenieurkollektiv Wuseltronik“. In: Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 14. Mai 2025]).
  79. Graph-Druckula. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  80. [11]
  81. Die Wut entlud sich in Eintagskriegen. 19. Januar 2019, abgerufen am 14. Mai 2025.
  82. Vom Sound der Revolte. In: taz. 27. April 2007, archiviert vom Original am 19. April 2016; abgerufen am 30. September 2024.
  83. Kreuzberger Chronik: Der Mythos von Bolle - Sie lesen das Original! aus Berlin-Kreuzberg. Abgerufen am 14. Mai 2025.
  84. Sabine am Orde / Richard Rother: GSG 9 im Mehringhof. In: Die Tageszeitung: taz. 20. Dezember 1999, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 14. Mai 2025]).
  85. Martin Beck: Geschichtsstunde mit Überraschungen. (Memento vom 17. August 2007 im Internet Archive) In: Die Rote Hilfe, 1/2002, S. 16 f. Stand: 28. Januar 2008
  86. Arbeit im Mehringhof oder Wege ins Paradies. In: filmportal.de. Deutsches Filminstitut, abgerufen am 24. November 2019.

Koordinaten: 52° 29′ 32,7″ N, 13° 23′ 18,5″ O