Peter Grossmann (Architekt)

Peter Grossmann (* 18. Mai 1888 in Aachen; † 1976 in Berlin) war ein deutscher Architekt, Innenarchitekt und Designer. Er arbeitete über sechs Jahrzehnte in Berlin und gilt als einer der letzten vergessenen Vertreter der Architektengeneration um Walter Gropius. Grossmann war Schüler und langjähriger Mitarbeiter von Peter Behrens und entwickelte später das sogenannte „Dreigruppenbau-System“. Er gestaltete Grafik, Innenarchitektur, Möbel, Grabmale, sowie insbesondere Architektur und Städtebau. Seine Biographie umfasst die Kaiserzeit, die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus und den Wiederaufbau nach 1945.[1] Grossmann war Mitglied des Deutschen Werkbunds und des Bundes Deutscher Architekten BDA.

Leben

Ausbildung und Mitarbeit bei Peter Behrens

Grossmann wurde 1888 als Sohn des Möbeltischlers Franz Gerhard Grossmann in Aachen geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und einer Lehre in der väterlichen Werkstatt[2] besuchte er die neu gegründete Zeichen- und Kunstgewerbeschule in Aachen und arbeitete zunächst im Atelier des Architekten Hermann Arnold.[1] Auf dessen Empfehlung trat er 1908 gemeinsam mit Ludwig Mies (später Mies van der Rohe) und einer Gruppe von anderen Aachenern (Ferdinand Goebbels, Franz Dominick) in das Atelier von Peter Behrens in Neubabelsberg bei Berlin ein,[3] wo er bis 1914 tätig war. Dort begegnete er weiteren späteren Protagonisten der Moderne wie Walter Gropius, Le Corbusier und Jean Krämer. Grossmann war an zahlreichen bedeutenden Projekten beteiligt, darunter die deutsche Botschaft in Sankt Petersburg, die Hauptverwaltung von Mannesmann in Düsseldorf sowie Innenausstattungen von Villen und Wohnungen in Berlin, Potsdam und Köln.[1] Behrens testierte ihm in seinem Zeugnis: „Herr Grossmann zeichnet sich durch eine gewandte Art des Entwurfs und der Darstellung aus.“[4]

Grossmann heiratete 1919 die jüdischstämmige Jenny Beermann, mit der er zwei Söhne hatte.

Eigenes Atelier und „Dreigruppenbau-System“

Schon früh sind erste selbständige Arbeiten bekannt, wie der Um- und Innenausbau der Aachener Villa Monheim von 1913. Schon etwa zu Beginn des Ersten Weltkriegs, in dem Grossmann dann als freiwilliger Soldat diente, eröffnete er 1914 in Berlin sein eigenes Atelier. Er arbeitete zunächst auch als Grafiker und entwarf Logos, Werbegrafiken. Mit der Gestaltung von Innenausstattungen für wohlhabende Aachener und Berliner Familien begann seine zunehmende Konzentration auf die Architektur.

1922 realisierte er in Berlin-Schmargendorf seine erste eigenständige Wohnanlage nach dem von ihm entwickelten „Dreigruppenbau-System“, über das er auch selbst publizierte.[5] Dabei werden drei Baukörper in Y-Form um ein Zentrum gruppiert, was eine bessere Belichtung und Kostenteilung erlaubte. Dieses Prinzip entwickelte er auch nach 1945 weiter, und nutzte es vielfach für Wettbewerbsbeiträge.[4]

In den 1920er Jahren entstanden weitere Häuser und Villen, wie die Villa van Berkel (1924) und das Haus Fluss (1928), die stilistisch zwischen traditioneller Baukunst und dem Neuen Bauen standen.[1]

Lehrtätigkeit und Berufsausübung während des Nationalsozialismus

1929 erhielt Grossmann einen Ruf als Professor für Innenarchitektur an die Kunstgewerbeschule in Magdeburg. Dort lehrte er bis 1934, als er aufgrund seiner fehlenden NSDAP-Mitgliedschaft entlassen wurde. 1939 wurde er zudem aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und erhielt Berufsverbot, da er sich weigerte, sich von seiner jüdischstämmigen Frau scheiden zu lassen.[6] Bemerkenswert ist dabei, dass er ab 1939 für die Dr. Bruno Lange GmbH in Zehlendorf die Generalplanung für einen neuen Firmenstandort übernahm. Diese Planung umfasste die Ansiedlung der Firma auf den Grundstücken der Häuser Hugo Perls und Ernst Werner, die 1911 und 1913 von Ludwig Mies van der Rohe und Ferdinand Goebbels entworfen und gebaut worden waren, sowie 1928 von Mies für Eduard Fuchs erweitert. Grossmann integrierte diese Häuser sensibel in den Plan und ergänzte weitere eigene Bauten auf dem Gelände, die sich stilistisch den beiden bedeuten Villen anpassten.[7] Diese Planungen für Lange fanden nach dem Zweiten Weltkrieg eine Fortsetzung. Das ganze Areal mit den Bauten von Mies, Goebbels und Grossmann ist heute der Sitz der Parzival-Schule Berlin.[8]

Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er nur noch für private Auftraggeber im engen Freundes- und Bekanntenkreis. Möglich wurden diese Tätigkeiten, da ihm nach einer Beschwerde über sein Berufsverbot 1939 bis mindestens 1941 gewährt wurde, weiterzuarbeiten.[6] 1945 wurde er zwangsweise in den Volkssturm eingezogen.[1]

Wiederaufbau und Spätwerk

Nach 1945 beteiligte sich Grossmann am Wiederaufbau Berlins, unter anderem an der Instandsetzung katholischer Kirchen wie St. Ludwig in Wilmersdorf und St. Joseph in Wedding. Er veröffentlichte 1946 in der Fachzeitschrift Neue Bauwelt einen Beitrag zur Rekonstruktion deutscher Städte auf Grundlage seines „Dreigruppenbau-Systems“.[1]

Bis in die 1960er Jahre realisierte er zahlreiche Bauten für Industrie und Kultur, darunter Wohnhäuser, Ausstellungsbauten und Geschäftsräume. Sein letztes Werk mit 80 Jahren war das 1968 fertiggestellte Hotel Garni Sylia in Berlin, errichtet neben seinem eigenen Wohnhaus von 1922.[1]

Werke (Auswahl)

  • 1907: Erfrischungsraum der städtischen Schwimmhalle Elisabethstraße, Aachen.
  • 1913: Diele und Innenausstattung der Villa Monheim, Aachen (Denkmal)
  • 1922: Dreigruppenhaus, Berlin-Dahlem (Denkmal)[5]
  • 1923: Eingangsbau des Friedhofs Berlin-Reinickendorf
  • 1927: Haus van Berkel, Berlin-Dahlem (Denkmal)
  • 1928: Haus Wehrig, Werdau.[9]
  • 1928: Haus Fluss, Berlin.
  • 1928: Wettbewerbsbeitrag Trinkhalle und kleiner Kurgarten Bad Neuenahr (2. Preis, nicht realisiert)
  • 1935: Haus Wienands, Köln (Denkmal)
  • 1939: Haus Britzke, Berlin-Dahlem
  • 1939–1966: Gesamtplanung Firma Dr. Bruno Lange, Berlin-Zehlendorf unter Einbezug der Villen Perls und Werner von Ludwig Mies van der Rohe.
  • 1946: Planung einer Neustadt im Dreigruppenbau-System (in Neue Bauwelt, nicht realisiert)
  • 1947: Kapelle im St.-Josephs-Krankenhaus in Berlin, Zusammenarbeit mit dem Aachener Bildhauer Alfred Pieper.
  • 1948: Wettbewerbsbeitrag zum Wiederaufbau des Elisenbrunnens in Aachen (nicht realisiert)
  • 1954: Ausstellungsstand der Firma Bernhardt & Zielke mit Produkten der Firma Fenestra Crittall
  • 1955: Haus Hindenburg, Berlin-Dahlem.
  • 1959: Haus Blum, Hilterfingen (Schweiz)
  • 1966: Chemische Fabrik Dr. Pfleger, Berlin-Zehlendorf.
  • 1967: Wiederaufbau Londoner Hof, Kleinkölnstraße, Aachen und Neubau Glaspavillon für Firma F. G. Grossmann und Söhne.
  • 1968: Hotel Garni Sylia, Berlin-Dahlem.

Bedeutung

Grossmanns Werk verbindet traditionelle Handwerkskunst mit den Ideen der Moderne. Als Grafiker, Objektgestalter, Innenarchitekt, Projektentwickler und Architekt gehört er zu einer ersten Generation von Allroundern, die aus dem kreativen Umfeld der dem Handwerk entstammenden und an Kunstgewerbeschulen und in der Praxis ausgebildeten Gestaltern entstammen. Seine Architektur zeichnet sich durch funktionale Raumlösungen, individuelle Anpassung an Bauherren und eine enge Verbindung von Architektur und Innenraumgestaltung aus. Trotz seiner Bedeutung geriet er nach seinem Tod 1976 in Vergessenheit. Erst jüngst wird sein Nachlass wissenschaftlich aufgearbeitet.[1]

Literatur

  • Werner Klinski, Peter Grossmann: Peter Grossmann. Selbstverlag, 1973.
  • Giacomo Calandra di Roccolino: Peter Grossmann (1888–1976). Sessant’anni di architettura a Berlino nel Novecento. In: Ricerche di storia dell’arte. Serie Arti visive, Carocci, Rom 2023, S. 88–95.
  • Daniel Lohmann: Hermann Arnold. Eine vergessene Verbindung zwischen Peter Behrens und Ludwig Mies van der Rohe. (= Kölner Beiträge zur Baugeschichte und Denkmalpflege, Band 8). Köln 2024 (th-koeln.de).

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Giacomo Calandra di Roccolino: Peter Grossmann (1888–1976). Sessant’anni di architettura a Berlino nel Novecento. In: Ricerche di storia dell’arte. Serie Arti visive, Carocci, Rom 2023
  2. Nachfolgeunternehmen Polster Grossmann. Abgerufen am 23. August 2025.
  3. Daniel Lohmann: Hermann Arnold. Eine vergessene Verbindung zwischen Peter Behrens und Ludwig Mies van der Rohe. In: Daniel Lohmann, Norbert Schöndeling, Petra Sophia Zimmermann (Hrsg.): Kölner Beiträge zur Baugeschichte und Denkmalpflege. Band 8. TH Köln, 2024, ISSN 2700-953X, doi:10.57684/COS-1227, urn:nbn:de:hbz:832-cos4-12270.
  4. a b Werner Klinski: Peter Grossmann. Selbstverlag, Berlin 1973, S. 1.
  5. a b Peter Grossmann: Das Dreigruppenhaus in Dahlem. In: Neubau: Halbmonatsschrift für Baukunst, Wohnungsbau u. Siedlungswesen. Nr. 11. Berlin 1929, S. 231–233.
  6. a b Landesarchiv Berlin, Bestand Reichskammer der Bildenden Künste. Personalakte Peter Grossmann, A Rep 243-04.
  7. Werner Klinski: Peter Grossmann. Selbstverlag, Berlin 1973, S. 29
  8. Parzival Schule Berlin: Gelände und Häuser. Abgerufen am 23. August 2025.
  9. Peter Grossmann: Doppelhaus W. in Werdau. Neubau: Halbmonatsschrift für Baukunst, Wohnungsbau u. Siedlungswesen., Nr. 11. Berlin 1929, S. 236–239.