Helene Papanek
Helene Papanek (geborene Helene Goldstern, 10. Juni 1901 in Wien, Österreich-Ungarn; gestorben 21. Mai 1985 in New York City) war eine austroamerikanische Ärztin und Individualpsychologin.
Leben
Helene Goldstern war eine Tochter des Arztes Samuel Goldstern (1866–1939) und der Marie (Manja) Bernstein (1876–1967). Ihre Eltern waren aus Russland nach Österreich-Ungarn emigriert, sie besaßen seit 1915 die Fango-Heilanstalt in Wien.[1] Die Familie war jüdisch, aber nicht praktizierend. Ihre Schwester Lucie Karplus (1900–1970) war die Mutter des Chemikers Martin Karplus und des Physikers und Physik-Pädagogen Robert Karplus, ihr Bruder Alexander Goldstern (1907–1987) übernahm nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Leitung der Fango-Heilanstalt der Eltern, ihre Schwester Claire Wernert (1913–2001) überlebte ebenfalls den Holocaust in der Emigration.
Goldstern studierte Medizin und wurde 1925 in Wien promoviert und machte danach ihren Turnus im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien (AKH). Zwei Tage nach ihrer Promotion heiratete Goldstern am 23. Juni 1925 den Pädagogen und sozialdemokratischen Politiker Ernst Papanek, sie hatten zwei Söhne, der Ökonom Gustav Fritz Papanek (1926–2022) und Georg (1931–2004).[2] Helene Papanek war wie ihr Mann ebenfalls in der SDAP aktiv. 1927 begann sie im AKH eine Facharztausbildung in der neurologischen Abteilung. Danach arbeitete sie in der Fango-Heilanstalt ihrer Eltern, die sie schließlich als Chefärztin leitete.
Parallel dazu unterzog sie sich ab 1931 beim Kinderarzt und Psychoanalytiker Josef Karl Friedjung einer Lehranalyse. Ernst Papanek musste 1934 aus dem ständestaatlichen Österreich in die Tschechoslowakei nach Brünn flüchten, Helene Papanek blieb mit den Söhnen in Wien und schickte ihrem Ehemann Geld ins Exil. Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs flüchtete auch Helene Papanek als rassistisch Verfolgte 1938 mit ihren Söhnen nach Paris. Um im Exil Geld zu haben stahl sie vor ihrer Abreise radioaktives Material aus dem Krankenhausbestand der Fango-Klinik und schmuggelte es in der Handtasche neben ihrem Lippenstift, dann verkaufte sie es in Paris.[2]
Das Ehepaar hatte bereits Visa für die USA, aber dann wurde ihnen von der jüdischen Hilfsorganisation Œuvre de secours aux enfants (OSE) die Leitung von vier Heimen für jüdische Flüchtlingskinder in Montmorency bei Paris anvertraut. Nach der deutschen Besetzung Frankreichs 1940 flüchteten sie mit den Kindern in den unbesetzten Süden Frankreichs. Der Familie Papanek gelang im September 1940 die Ausreise in die USA.[3]
Helene Papanek war in New York zunächst als Krankenschwester am Lebanon Hospital beschäftigt. Sie erhielt 1943 die ärztliche Zulassung für die USA und arbeitete in einer eigenen ärztlichen Praxis und als Psychiaterin an verschiedenen Krankenhäusern im Staat New York.
1952 wurde sie Direktorin des Alfred-Adler-Instituts in New York, an dem in einem Drei-Jahres-Curriculum Individualpsychologie gelehrt wurde. Von 1971 bis 1975 leitete sie die Abteilung für Gruppenpsychotherapie der Mental Hygiene Clinic des Alfred-Adler-Instituts und arbeitete selbst als Psychiaterin. Einige Jahre war sie Präsidentin der North American Society of Adlerian Psychology.
Sie war Mitglied verschiedener Organisationen, darunter die American Medical Association, American Psychiatric Association, American Group Psychotherapy Association, New York Academy of Sciences. Papanek wurde für ihre 20-jährige Tätigkeit am Lenox Hill Hospital ausgezeichnet.
Schriften
- mit Ernst Papanek: Individual Psychology Today. American Journal of Psychotherapy. 1961, S. 4–26.
- Verzeichnis der Zeitschriftenaufsätze bei Clara Kenner, 2002.
Literatur
- Clara Kenner: Papanek, Helene. In: Brigitta Keintzel, Ilse Korotin (Hrsg.): Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben – Werk – Wirken. Böhlau, Wien 2002, ISBN 3-205-99467-1, S. 545 ff.
- Lilly Maier: Auf Wiedersehen, Kinder!: Ernst Papanek. Revolutionär, Reformpädagoge und Retter jüdischer Kinder. Molden, Wien, 2021.
- Clara Kenner: Der zerrissene Himmel : Emigration und Exil der Wiener Individualpsychologie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-45320-9.
- Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. Saur, München 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 887.
- Uwe Henrik Peters: Psychiatrie im Exil : die Emigration der dynamischen Psychiatrie aus Deutschland 1933–1939. Kupka, Düsseldorf 1992, ISBN 3-926567-04-X, S. 146 f.
- Ernst Papanek: Out of the Fire. William Morrow, New York 1975.
- Ernst Papanek: Die Kinder von Montmorency. Europaverlag, Wien 1980.
Weblinks
- Helene Papanek, bei AlfredAdler.at
Einzelnachweise
- ↑ Fango-Heilanstalt im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
- ↑ a b Lilly Maier: Auf Wiedersehen, Kinder! Ernst Papanek. Revolutionär, Reformpädagoge und Retter jüdischer Kinder. Molden Verlag, Wien 2021, ISBN 978-3-222-15048-7, S. 73 und 85–87.
- ↑ Katy Hazan: Ernst Papanek ( des vom 4. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., bei OSE-France