marktradikal

marktradikal (Deutsch)

Adjektiv

Positiv Komparativ Superlativ
marktradikal marktradikaler am marktradikalsten
Alle weiteren Formen: Flexion:marktradikal

Anmerkung zum Gebrauch:

marktradikal steht für eine extreme pro-Markt-Position (beispielsweise weitgehende Privatisierungen, Deregulierung, Sozialabbau und/oder Austerität) und geht damit weiter als marktliberal; wird oft auch abwertend von Gegnern marktradikaler Politik gebraucht
die Steigerung ist selten

Worttrennung:

markt·ra·di·kal, Komparativ: markt·ra·di·ka·ler, Superlativ: am markt·ra·di·kals·ten

Aussprache:

IPA: [ˈmaʁktʁadiˌkaːl]
Hörbeispiele:

Bedeutungen:

[1] Politik, Wirtschaft: wirtschaftspolitische Position für eine sehr starke Orientierung am freien Markt und gegen staatliche Eingriffe (beispielsweise Subventionen, Steuern, Sozialabgaben), Regulierungen oder Umverteilung (beispielsweise in Form von Bürgergeld, Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe)

Herkunft:

Determinativkompositum (Zusammensetzung) aus dem Substantiv Markt und dem Adjektiv radikal

Sinnverwandte Wörter:

[1] deregulativ, neoliberal

Gegenwörter:

[1] keynesianisch, ordoliberal, staatlich regulierend, staatsinterventionistisch, sozialstaatlich, wohlfahrtsstaatlich

Beispiele:

[1] „Der 48-jährige Schriftsteller […] kommt zu einem ernüchternden Befund: Ein Gutteil der sieben Milliarden Menschen, die derzeit den Planeten Erde bevölkern, sind dem Kalkül marktradikaler Eliten zufolge überflüssig. Nutzlose Esser.“[1]
[1] „In den 1990er Jahren hat in der Diskussion um marktradikale Konzepte die Berufung auf die Soziale Marktwirtschaft durch Kritiker von Haushaltskürzungen und sozialen Kürzungen wieder eine wichtige Rolle gespielt.“[2]
[1] „In unserer Deutung haben marktradikale Richtungen (mit sehr differenten Theorien) insgesamt den Keynesianismus verdrängt.“[3]
[1] „„Der“ Markt wird in marktradikalen Theorien mit eigenen Gesetzmäßigkeiten ausgestattet (Mechanismen oder Prozesse), die als optimal verstanden werden.“[3]
[1] „Fast alle Einführungen in die Mikroökonomie vermitteln eine marktradikale Sichtweise der Wirtschaft.“[3]
[1] „Demgegenüber wurde der Begriff „der Markt“ erstmals bei Mises und Hayek und bei den Ordoliberalen als zentrale Kategorie gesetzt; seine heutige Popularität zeigt, wie selbstverständlich marktradikale Denkweisen geworden sind.“[3]
[1] „Das Konzept von „Markt“ und „Nicht-Markt“ ist für das marktradikale Denken konstitutiv und durchzieht marktradikale Texte.“[3]
[1] „Das marktradikale duale Denken mündet in letzter Konsequenz in einem manichäistischen Freund-Feind-Diskurs.“[3]
[1] „Das marktradikale Verständnis von Freiheit nennt Stiglitz deshalb »oberflächlich, irregeleitet und ideologisch motiviert«.“[4]
[1] „Der marktradikale Neoliberalismus spiele in Tagespolitik wie im Alltagsbewusstsein eine herrschende Rolle; er sei Ausdruck der Tatsache, dass das Primat der Politik beendet sei.“[5]
[1] „Sie begann ihre Karriere in der Universität Bayreuth unter dem für seine marktradikalen Ideen bekannten Gesundheitsökonomen Peter Oberender.“[6]
[1] „Auch Birgit Breuel erteilte der von den „Wirtschaftsweisen“ geforderten Fortsetzung des marktradikalen Privatisierungskurses bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt als Präsidentin der THA vor der Kölner Industrie- und Handelskammer am 17. April 1991 eine Absage.“[7]
[1] „Mit den noch zu ihrer Regierungszeit verabschiedeten "Wiesbadener Grundsätzen" von 1997 markierte die FDP den Aufbruch in die Westerwelle-Ära, die im Zeichen eines noch stärker dominierenden, "marktradikalen" Wirtschaftsliberalismus stand.“[8]
[1] „»In der AfD gibt es einen deutlich marktradikal, wirtschaftsliberal orientierten Flügel, der klassische Forderungen, wie zum Beispiel die Abschaffung des Arbeitslosengeldes, ins Programm geschrieben hat.«“[9]
[1] „In der Sozial- und Wirtschaftspolitik hingegen vertreten Rechtspopulisten häufig marktradikale und neoliberale Positionen.“[10]
[1] „Es ist die immer gleiche Stelle aus [Adam] Smiths Hauptwerk «Der Wohlstand der Nationen», auf die sich die marktradikalen Fans des schottischen Aufklärers beziehen: «Nicht vom Wohlwollen des Metzgeres, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen», heisst es da, «sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.»“[11]
[1] „«Der grosse Fehler aller marktradikalen Smith-Interpreten ist der, dass sie ‹Eigeninteresse› mit plumpem Eigennutz gleichsetzen. Das ist aber eine grobe Missinterpretation der Smithschen Theorie. Denn Smith war in erster Linie Moralphilosoph», sagt Streminger.“[11]
[1] [Rassemblement National (RN):] „Die Partei vertritt keine marktradikalen, sozialdarwinistischen Positionen mehr, sondern befürwortet einen nationalistischen Protektions- und Sozialstaat, […].“[12]
[1] Die Fed musste allerdings feststellen, dass diese Notfallmaßnahmen keine stabilisierende Wirkung erzielten. Der Grund: Die Maßnahmen erreichten nur das Bankensystem, nicht das Schattenbankensystem. Das war auch nicht erstaunlich, war doch das Schattenbankensystem ganz nach der marktradikalen Idee der freien, unregulierten und nicht staatlich abgesicherten Märkte konstruiert worden.[13]
[1] [Argentinien, 2024:] „Die aktuelle marktradikale Regierung wird diese Probleme nicht lösen, sondern nur schlimmer machen.“[14]
[1] [Argentinien, 2024:] „Die im Dezember 2023 angetretene ultraliberale Regierung von Milei spricht von einem »aufgeblähten Staatsapparat« und versucht, mit marktradikalen Reformen die Wirtschaftskrise in den Griff zu kriegen sowie keine neuen Staatsschulden mehr aufzunehmen.“[15]
[1] „Unter dem Vorwand einer Initiative für eine unparteiische Schule wird in Brasilien der Weg zu einer politischen Bildung geebnet, die autoritäre und marktradikale Ideologien verbreiten soll.“[16]
[1] „Um sich abzugrenzen von der Regierung, stellte sie die Christdemokraten mit dem Leipziger Parteitag Ende 2003 so marktradikal auf, dass die heutige CDU dagegen beinahe wie die Linkspartei wirkt.“[17]
[1] [Kommunalwahlen in NRW 2025:] „Das Empfinden, kollektiv abgewertet zu sein als Arbeiter, […] oder […] auch Migrant sucht sich ein Ventil – und findet es bei einer Partei, die marktradikal ist.“[18]

Charakteristische Wortkombinationen:

[1] mit Substantiv: marktradikale Agenda / Denke / Ideologie / Partei / Politik / These, marktradikaler Flügel / Kurs / Neoliberalismus / Unfug / Zeitgeist, marktradikales Denken / Programm / Rezept, marktradikale Reformen
[1] mit Substantiv (Personen): marktradikale Extremistin / Ideologin / Ökonomin / Politikerin / Professorin / Wirtschaftswissenschaftlerin, marktradikaler Extremist / Ideologe / Ökonom / Politiker / Professor / Wirtschaftswissenschaftler
[1] mit Substantiv (Parteien): marktradikale AfD / FDP
[1] mit Adjektiv: extrem marktradikal
[1] mit Adjektiv: marktradikal und asozial

Wortbildungen:

Marktradikale/Marktradikaler, Marktradikalismus

Übersetzungen

Referenzen und weiterführende Informationen:
[*] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „marktradikal
[*] Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache – Korpusbelege [dwdsxl] Gegenwartskorpora mit freiem Zugang „marktradikal
[*] Uni Leipzig: Wortschatz-Portalmarktradikal
[*] Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „marktradikal

Quellen:

  1. Günter Kaindlstorfer: Kapitalistischer Blick auf „nutzlose Esser“. In: Deutschlandradio. 2013-09-16 (Deutschlandfunk/Köln, URL, abgerufen am 14. September 2025).
  2. Wikipedia-Artikel „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ (Stabilversion), Version vom 28. Juli 2025, abgerufen am 14. September 2025.
  3. 1 2 3 4 5 6 Walter Ötsch, Stephan Pühringer: Marktradikalismus als Politische Ökonomie – Wirtschaftswissenschaften und ihre Netzwerke in Deutschland ab 1945. jku.at, Johannes Kepler Universität Linz, Institute for Comprehensive Analysis of Economy, Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft, Linz, Österreich, 2015, Seite 5, 6, 9, abgerufen am 14. September 2025 (ICAE Working Paper Series, Nr. 38).
  4. Georg Diez: Linke Politik – Wie wäre es mal mit einer wirklich starken Vision?. In: Zeit Online. 2024-06-11, ISSN 0044-2070 (URL, abgerufen am 14. September 2025).
  5. Wikipedia-Artikel „Populismus“ (Stabilversion), Version vom 12. Juli 2025, abgerufen am 14. September 2025.
  6. Kay-Alexander Scholz: AfD: Populismus und mehr. In: Deutsche Welle. 24. Februar 2016 (URL, abgerufen am 14. September 2025).
  7. Rainer Karlsch: Skandal oder Erfolgsgeschichte? – Die Leuna-Minol-Privatisierung. bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Deutschland, 26. Mai 2020, abgerufen am 14. September 2025.
  8. Frank Decker: Parteien in Deutschland – Die Programmatik der FDP. bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Deutschland, 2. Dezember 2022, abgerufen am 14. September 2025.
  9. Volker Wagener: "AfD stellt demokratische Werte in Frage!". In: Deutsche Welle. 31. März 2016 (Interview mit Alexander Häusler, Rechtsextremismusforscher, URL, abgerufen am 14. September 2025).
  10. Glossar – Rechtspopulismus. bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Deutschland, abgerufen am 14. September 2025.
  11. 1 2 Günter Kaindlstorfer: Der Aufklärer Adam Smith - Wieso der Vater des Kapitalismus bis heute falsch verstanden wir. In: Schweizer Radio und Fernsehen. 16. Juni 2023 (URL, abgerufen am 16. September 2025).
  12. Gero von Randow: Jean-Marie Le Pen – Der Wegbereiter des französischen Rechtsextremismus. In: Zeit Online. 2025-01-07, ISSN 0044-2070 (URL, abgerufen am 14. September 2025).
  13. Joscha Wullweber: Geldpolitik – Zentralbankkapitalismus – Das (Schatten-)Bankensystem in der Krise. bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Deutschland, 29. April 2022, abgerufen am 14. September 2025 (aus: APuZ – Aus Politik und Zeitgeschichte).
  14. Lucia Cavallero: Feminismus – Jeder Tag ist Kampftag. In: Zeit Online. 2024-03-08, ISSN 0044-2070 (Protokoll: Marta Ahmedov, Muri Darida, Michelle Schleimer, URL, abgerufen am 14. September 2025).
  15. Protest gegen Massenentlassungen in Argentiniens Behörden. In: Deutsche Welle. 4. April 2024 (URL, abgerufen am 14. September 2025).
  16. Sérgio Costa: Politische Bildung – Eine "Unparteiische Schule"? Politische Bildung nach dem Rechtsruck in Brasilien. bpb.de, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Deutschland, 27. März 2020, abgerufen am 14. September 2025 (aus: APuZ – Aus Politik und Zeitgeschichte).
  17. Agenda 2010 – Die Protagonisten - damals und heute. In: Spiegel Online. 14. März 2013, ISSN 0038-7452 (Bildunterschrift, Bild 22 von 23, URL, abgerufen am 14. September 2025).
  18. Anna Lehmann, Gareth Joswig: Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen – Alles guckt nach Gelsenkirchen. In: taz.de. 14. September 2025, ISSN 2626-5761 (URL, abgerufen am 14. September 2025).